Soziale und kulturelle Nachhaltigkeit im Bauen und Wohnen

Die fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit beim Bauen und Wohnen konzentriert sich häufig auf die ökonomische und die ökologische Dimension des Prinzips. Berührt sind damit wichtige Fragen einer wirtschaftlichen Gebäudeplanung sowie zum Beispiel Fragen des ressourcenschonenden Einsatzes von Baumaterialien und der Minimierung eines umweltbelastenden Verbrauchs natürlicher Ressourcen beim Wohnen.

Eine weitere, häufig vernachlässigte, Größe ist die soziale und kulturelle Dimension nachhaltigen Bauens und Wohnens. Diese Dimension berücksichtigt die Lebenskontexte und Lebensstile und damit verbundene spezifische Wohnbedürfnisse der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer, die in modernen Gesellschaften äußert heterogen ausfallen können. Gleichzeitig erfasst sie Orte für öffentliches und gemeinschaftliches Leben sowie die (infra)strukturellen und räumlichen Grundlagen die eine Partizipation und Teilhabe sozialer Akteurinnen und Akteure am gemeinschaftlichen Leben, an öffentlichen Gütern und an kleinen Lebenskreisen unterstützen beziehungsweise ermöglichen.

Soziale Nachhaltigkeit entsteht immer dort, wo Menschen in soziale Netzwerke und Beziehungen eingebunden sind. Sie bildet einen Kontrapunkt zu Prozessen der Individualisierung, Isolierung und Vereinsamung von Gesellschaftsmitgliedern. Eine zentrale Dimension sozialer Nachhaltigkeit betrifft die Ausgestaltung von Wohnraum und Wohnumgebungen. Maßnahmen zur Schaffung von Wohnverhältnissen, die nachbarschaftliche Kontakte begünstigen, fördern und verstetigen, die Teilhabe und Teilnahme auch für ältere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung ermöglichen, erzeugen soziale Nachhaltigkeit. Beispielgebend sind in diesem Zusammenhang Projekte des Gemeinschaftlichen Wohnens plus.

Unter Gemeinschaftlichem Wohnen plus werden Projekte des Gemeinschaftlichen Wohnens verstanden, die zusätzliche Angebote zur Beratung, Pflege und Unterstützung sowie Partizipation in ihr Konzept integrieren und damit beispielsweise Möglichkeiten eines längeren Verbleibs von Menschen mit Unterstützungsbedarf im Projekt schaffen. Mögliche plus-Bausteine sind Wohngruppen, Beratungsstellen, ambulant betreute Wohngemeinschaften, Nachbarschaftstreffs/Nachbarschaftscafés, Quartiersbüros, Tagespflegeeinrichtungen und Nachbarschaftshilfe, die unmittelbar mit dem Wohnprojekt verbunden werden.

Plus-Elemente bilden einen Nachhaltigkeitsbaustein in der demografiefesten Quartiersgestaltung. Indem sie Menschen im Alter ermöglichen, in der Mitte der Gemeinschaft wohnen zu bleiben und die dafür notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen, werden etablierte soziale Beziehungen in Quartier und Nachbarschaft erhalten und Fürsorgeverhältnisse auch jenseits der Familie gestärkt. Soziale und kulturelle Nachhaltigkeit beim Bauen und Wohnen zu berücksichtigen, bedeutet, den Herausforderungen des gesellschaftlichen und demografischen Wandels in den kommenden Jahrzehnten aktiv zu begegnen.