Im Vergleich: Projekte im Interview

Zuhause im Alter sprach mit Verantwortlichen der an dem Programm "Wohnen für (Mehr-)Generationen" beteiligten Projekte 'Wohnmix Oldenburg', 'Wohngemeinschaft Werkpalast' und 'Villa Emma' über Hoffnungen und Erwartungen, aber auch über Herausforderungen, denen sich ein Projekt gegenübersieht – und die für vergleichbare Initiativen heute interessant sind.

Wohnmix Oldenburg
Niedersachsen

Weitzstraße 15
26135 Oldenburg

www.wohnmix-oldenburg.de

Wohngemeinschaft Werkpalast
Berlin

Alfred-Jung-Straße 6-8
10367 Berlin

www.selbstbau-eg.de/alfred-jung-strae-6-8

Villa Emma
Nordrhein-Westfalen

Müldorfer Anger 22
53229 Bonn

www.villa-emma-bonn.de

Zuhause im Alter: Auch wenn es schon einige Jahre her ist: Erinnern Sie sich noch an die Beweggründe für das Projekt?

Wohnmix Oldenburg:

Ja. Die Einbindung in ein soziales Netzwerk, gegenseitige Unterstützung, zum Beispiel beim Einkauf, beim Umgang mit einem Computer, Babysitting, gemeinsame Freizeitaktivitäten, Entgegenwirken von Isolation und Vereinsamung. Wir waren 2008 eine bunt gemischte Gruppe von Menschen im Alter von 1 bis 79 Jahren, mit vielfältigen Lebensvorstellungen, die sich zum Ziel gesetzt hatte, sowohl Gemeinschaft als auch Individualität zu leben. Gegenseitige Achtung, religiöse und weltanschauliche Toleranz und verantwortungsvoller Umgang mit der Natur bildeten die ersten gemeinsamen Eckpunkte und stehen noch heute in der Präambel unserer Vereinssatzung.

Wohngemeinschaft Werkpalast:

Wir kannten das Projekt von Beginn an, aus dem Freundeskreis. Zunächst hatten wir uns nicht so sehr damit beschäftigt, aber unsere Begeisterung für das Haus entwickelte sich, als der Prozess der Gruppenfindung begann und wir uns ernsthaft mit der Idee auseinandersetzten. Uns gefiel die Gedanke, aus dieser baufälligen Kindertagesstätte ein Mehrgenerationenwohnhaus mit großem Garten und Gemeinschaftsflächen zu errichten. Außerdem waren die finanziellen Konditionen für uns realisierbar.

Villa Emma

Oh ja! Villa Emma entstand aus den Aufbauerfahrungen unseres Partnerprojekts der Amaryllis eG. Uns erreichten sehr viele Anfragen von Menschen mit Einschränkungen oder Behinderungen, die ebenfalls gemeinschaftlich wohnen wollten. Aber eben in einer Gemeinschaft in eigener Wohnung und gemischt in jeder Hinsicht: alt, jung, krank, gesund, behindert, nichtbehindert, mit oder ohne Wohnberechtigungsschein, mit Zugriff auf Unterstützung und vielem mehr. Das war das Neue.

Zuhause im Alter: Gab es Startschwierigkeiten, oder andererseits Punkte, die Sie in der Entstehung des Projekts positiv überrascht haben?

Wohnmix Oldenburg:

Ja, auch wir hatten die für damalige Wohnprojekte übliche Schwierigkeit: Wir verloren ein bereits reserviertes Grundstück, da wir die Finanzierung nicht schnell genug abschließend regeln konnten. Die Zeit war leider noch nicht reif für kommunal(politisch)e Unterstützung oder Förderung, wie es heute eher möglich ist.
Die positive Überraschung: Fast alle damaligen Gruppenmitglieder wollten trotzdem weitermachen. Es hat in rasantem Tempo in einem anderen Stadtteil geklappt. Wir hatten uns im November 2008 als Verein gegründet und die ersten Bewohner sind im Februar 2012 in unser Wohnmixhaus gezogen. Alle bei uns wohnenden Menschen, sei es zur Miete oder im Eigentum, haben ihre Wohnung gemeinsam mit dem Architekten selber entworfen. Jede Wohnung ist anders und trägt das Gesicht des dort wohnenden Mitbewohners beziehungsweise der Mitbewohnerin.

Wohngemeinschaft Werkpalast:

Zu Beginn gab es noch die Idee, eine eigene Genossenschaft zu gründen und in einer kleineren Gruppe ließen wir uns über diese Möglichkeit beraten. Letztendlich war es aus meiner Sicht ein Glücksfall, dass die Genossenschaft SelbstBau in das Projekt eingestiegen ist, weil wir in Eigenregie mehr Hürden und wahrscheinlich auch mehr Kosten gehabt hätten. Vielleicht wäre es auch gescheitert. Positiv hat mich überrascht, wie sich der Kennenlernprozess der interessierten Gruppe gestaltet hat. Es gab regelmäßige Treffen, auf denen nicht nur ein Austausch stattfand, sondern auch erste Entscheidungen fielen. Die Möglichkeit als "Selbstbauer/in" tätig zu werden, war nicht nur ein finanzieller Anreiz sondern eine Erfahrung, die sich für die Bindung an das Projekt positiv auswirkte.

Villa Emma

Nach den Erfahrungen, die wir mit unserem Partnerprojekt gesammelt hatten, war der Start von Villa Emma leichter. Wir konnten auf unsere Expertise verweisen, hatten dieselben Finanzierungsfachleute und Architekten zur Seite. Zeitgleich mit dem Planungsstart von Villa Emma 2009 richtete die Stadt Bonn eine Projektstelle Neue Wohnformen im Amt für Soziales und Wohnen ein. Das war hilfreich. Der Leiter des Amtes war sehr unterstützend, was letztlich in der Vergabe eines Zuschusses auf Grund der Verteilung in fünf öffentlich geförderte und sechs freifinanzierte Wohnungen mündete. Als "Türöffner" hat sich dabei die frühe Förderung durch das BMFSFJ im Rahmen des aufgelegten Modellprogramms herausgestellt. Kurz danach war ein Förderantrag beim Land NRW, Experimenteller Wohnungsbau, erfolgreich. Dieser Rückenwind hat uns als Gründergruppe beflügelt und das Vertrauen von Behörden, Politik bis hin zu Banken in unser Vorhaben gestärkt.

Zuhause im Alter: Wenn Sie sich die bisherigen Jahre des Projekts anschauen: Was funktioniert aus Ihrer Sicht besonders gut?

Wohnmix Oldenburg:

Besonders gut funktioniert bei uns die Integration der bei uns wohnenden Flüchtlingsfamilie, das generationsübergreifende Zusammenleben von Jung und Alt, die gegenseitige Unterstützung in schwierigen Situationen, das jährliche Sommerfest in und mit der Nachbarschaft und auch einige andere Aktivitäten innerhalb der größeren Nachbarschaft.

Wohngemeinschaft Werkpalast:

Aus meiner Sicht das Gemeinschaftsleben, auch nach über sieben Jahren noch. Zum Beispiel finden regelmäßig Haustreffen statt, an denen sich die große Mehrheit beteiligt, es gibt alljährlich ein großes Sommerfest. Die Haustreffen werden abwechselnd moderiert und protokolliert, wodurch die Verantwortung wechselt. Garteneinsätze werden mit gemeinsamen Mittagessen verbunden. Trotzdem unterliegt man keinem Zwang, man kann sich auch mal zurückziehen. Gut funktioniert der Zusammenhalt verbunden mit Hilfsbereitschaft: Unterstützung bei Kinderbetreuung, Besorgungen, handwerkliche Hilfen. Wie wir Entscheidungen treffen, ist ein gemeinsamer Diskurs und Prozess, der auch neu verhandelt werden kann. Für die Kinder ist es hier wie im "Paradies", sie haben nicht nur einen großen Garten sondern auch viele Freunde im Haus.

Villa Emma

Das Zusammenleben von jungen und alten Menschen mit und ohne Unterstützungsbedarf in Villa Emma funktioniert sehr gut! Es hat sich über die bisherigen sieben Jahre eine schöne, aufeinander achtende kleine Hausgemeinschaft entwickelt und das bei sehr verschiedenen Menschen. Wir können feststellen, dass etwa die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner ohne Villa Emma mit all ihren Möglichkeiten längst in eine stationäre Pflegeeinrichtung hätte umziehen müssen. Ein Hausarzt und ein Krankenhaus-Neurologe fassten es so zusammen: "Villa Emma ist genau das, was gebraucht wird und was es viel öfter geben müsste! In solch eine häusliche Wohnsituation können wir auch schwerkranke und eingeschränkte alleinlebende Menschen mit gutem Gefühl, etwa nach einem Krankenhausaufenthalt, entlassen."

Zuhause im Alter: Gibt es Themen, die sich als besonders schwierig für den Alltag eines Projekts herausgestellt haben?

Wohnmix Oldenburg:

Es ist für unser Projekt besonders schwierig, gerade die gewollte Mischung von Eigentum und Miete unter einem Dach zu leben. Unterschiedliche Bedürfnisse der beiden Gruppen "Eigentum" und "Miete" in Finanzierungs- und Anschaffungsfragen führen zu Konflikten bei dem Thema "Geld", so ließ sich der anfangs vorausgesetzte Verzicht auf Eigenbedarf nicht umsetzen, und die Abstimmung nach Eigentumsanteilen führt immer wieder zur Bestärkung bestehender Machtverhältnisse. Mieterinnen und Mieter fühlen sich in der Entscheidung einiger Eigentümer oft nicht genügend berücksichtigt.

Wohngemeinschaft Werkpalast:

Kein alltägliches Thema, aber eins das bei uns im Haus in den letzten Jahren auftauchte, war die Frage, wie wir als Hausgemeinschaft bei einer Neuvermietung abstimmen. Hierzu fanden Treffen und Diskussionsrunden statt, wie wir vorgehen und entscheiden wollen. Es wurde letztendlich auch ein Weg gefunden, der sich als praktikabel und zufriedenstellend herausstellte. Denn das Leben in einem Hausprojekt erfordert im Alltag die Bereitschaft, einen Teil seiner Freizeit für Haustreffen, Garteneinsätze und anderes aufzubringen. Ich sehe das aber eher positiv, da man gemeinsam viel mehr Sachen erreicht. Eine Herausforderung bleibt, dass wir über die Zeit nicht das Interesse und die Lust an unserem Gemeinschaftsleben verlieren, sondern bei Problemen diese ansprechen und gemeinsam Lösungen finden, die nicht zu persönlichen Unstimmigkeiten oder Ärgernis führen.

Villa Emma

Die Villa Emma Genossenschaft wird von uns als GründerInnen von Beginn an ehrenamtlich in Vorstand und Aufsichtsrat geführt. Über kurz oder lang stellt sich die Frage: Wer übernimmt das? Finden wir weiterhin qualifizierte Menschen, die in ihrer Freizeit mit Fachkompetenz und Pionierengagement unsere Arbeit fortführen? Das beschäftigt uns.

Zuhause im Alter: Wenn Sie eine Empfehlung oder einen Rat an andere Gruppen haben, die ebenfalls ein solches Projekt planen: Welcher wäre das?

Wohnmix Oldenburg:

1) Zeit nehmen für die Planung, 2) bei der Gemeinschaftsfindung und -bildung frühzeitig Hilfe von außen holen, am besten mit Wohnprojekterfahrung, 3) Einigung auf ein regelmäßiges Konfliktmanagement, 4) Eigentum und Miete unter einem Dach ist problematisch und hinderlich für die sozialen Schwerpunkte eines solchen Projektes.

Wohngemeinschaft Werkpalast:

Es ist aus meiner Sicht hilfreich, sich entweder bereits bestehenden Projekten anzuschließen oder sich wenigstens Wissen und Erfahrungen aus anderen Projekten zu holen. Gerade bei Fragen zu den Themen Finanzen, Recht und anderen kann es schnell eine Gruppe überfordern beziehungsweise zersplittern. Ich denke, es ist auch wichtig, dass man von Anfang an regelmäßige Treffen organisiert. Sicher wird es immer unterschiedliche Beteiligungsquoten geben, aber letztendlich lebt ein Projekt von den Ideen und Aktivitäten der Gruppe.

Villa Emma

Nötig sind: Ausdauer, Wagemut, Vertrauen, Kompetenzen, Freude. Andere Projekte anschauen und davon lernen, sich an Förderprogrammen beteiligen, mit der Kommune reden und klar machen, was die Projektgruppe braucht. Keine Angst vor Fehlern haben.

Hinweis: Die Interviews dienen ausschließlich Informationszwecken. Sie sind keine Präferenz für oder gegen eine bestimmte Projektform. Die Meinungen der Interviewpartner spiegeln nicht automatisch diejenigen der Redaktion wider.