Workshop II
"Methodenwerkstatt Aktive Nachbarschaft"
Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewinnen und begleiten

Termin: 31. März 2014
Ort: hoffmanns höfe, Frankfurt am Main

Dokumentation

Wie gelingt es, Bürgerinnen und Bürger für ein aktives Engagement im Wohnquartier zu gewinnen? Wie können Selbsthilfe und Selbstorganisation im nachbarschaftlichen Umfeld gefördert werden? Wie können neue - auch schwer erreichbare - Zielgruppen aktiviert werden? Antworten auf diese Fragen lieferte eine kreative Methodenwerkstatt, zu der sich 22 Projektentwickler sowie haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende aus verschiedenen Projekten im Programm Nachbarschaftshilfe und soziale Dienstleistungen trafen.

Gefragt waren neue Ideen und Strategien, die die Übernahme von Verantwortung und Selbstorganisation im nachbarschaftlichen Umfeld ermöglichen. Die beiden Referentinnen Karin Nell und Susanne Konzet gaben einen Einblick in Ansätze und Methoden, die dazu in besonderer Weise geeignet sind und mit denen auch im Projekt Nachbarschaftswerkstatt der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros gearbeitet wurde.

Moderation und Fachinputs:

Susanne Konzet, ProjektWerkstatt Seniorenbildung, Bonn
Karin Nell, Evangelisches Erwachsenenbildungswerk Nordrhein, Düsseldorf

Einladungsflyer, nicht barrierefrei (PDF, 917 KB)

Alle Fotos: BaS e. V.


Einstieg

Damit alle Teilnehmenden gleich zum Beginn des Workshops einen Überblick bekamen, mit wem sie es an diesem Tag zu tun hatten, wurde alle gebeten, sich zu unterschiedlichen Fragen im Raum zu verteilen:

  • Wer kommt aus dem Norden, Osten, Westen oder Süden?
  • Wer plant oder entwickelt Projekte, wer ist hauptamtliche Projektleitung?
  • Wer ist ehrenamtliche Projektmitarbeiterin oder ehrenamtlicher Projektmitarbeiter?
  • Wie funktioniert das Miteinander von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen vor Ort?

Auf diese Weise kam man gleich ins Gespräch.


World-Café zum Thema "Das Miteinander von Hauptberuflichen und Freiwilligen"

In einem World-Café tauschten sich die Teilnehmenden anschließend in drei aufeinander folgenden Runden über Erfolge und Schwierigkeiten im Miteinander von Hauptberuflichen und Freiwilligen in ihren Projekten aus und formulierten Herausforderungen an die Zusammenarbeit der Zukunft:

Runde 1: Wir sind erfolgreich!

Runde 2: Wir machen uns Sorgen!

Runde 3: Wir haben Ideen für die Zukunft!

Runde 1: Wir sind erfolgreich!

Fragestellung: Worauf sind wir stolz? Was läuft gut im Miteinander der verschiedenen Akteure und Beteiligten in unseren Projekten? Was hat sich bewährt? Wo haben wir Angebote, Projekte und Konzepte gemeinsam erfolgreich umgesetzt?

Als erfolgreich bewerteten die World-Café-Besucherinnen und -Besucher vor allem Projekte, die mit Freiwilligen gemeinsam geplant und organisiert werden, sowie niedrigschwellige, spielerische oder selbstorganisierte Angebote.

Die Nennungen zeigen, dass es vieles gibt, worauf die Teilnehmer stolz sind: Offene Treffs, Internet-Kurse, Tauschbörse, Senioren-Zumba, Leihgroßeltern, Patenfamilien, Generationen-Kultur-Treff, Erzählcafé, Kinovorführungen, Mittagstisch, Nachbarschaftshilfe, mobile Seniorenberatung, Wohnberatung und vieles mehr. Einzelne Aufgaben wie die Organisation von Filmvorführungen oder Kochgruppen werden von ehrenamtlichen Teams fast komplett selbstständig übernommen.

Eine Qualifizierung für ehrenamtliche Tätigkeiten, möglichst mit Teilnahmebestätigung oder Zertifikat, werde von Ehrenamtlichen gut angenommen. Neben der Anerkennung durch Geld, Punkte oder Zertifikate sei es wichtig, für das leibliche Wohl aller Beteiligten zu sorgen und Erfolge gemeinsam zu feiern. Entscheidend seien die "Tatkraft" der Beteiligten, das positive Miteinander im Team, hauptamtliche Ansprechpartner sowie die Möglichkeit, Erfahrungen einzubringen und Verantwortung zu übernehmen.

In der Öffentlichkeitsarbeit haben sich "unkomplizierte" Medien wie Newsletter, Schwarzes Brett, Flyer, Mund-zu-Mund-Propaganda und die Präsenz in Pfarrbriefen bewährt. Betont wurde außerdem die positive Wirkung von Öffentlichkeitsarbeit, wenn Ehrenamtliche selbst zu Wort kommen.

Für das Miteinander der verschiedenen Akteure und Beteiligten seien die Kommunen wichtige Türöffner und könnten zum Beispiel mit einem Selbstverständnis als seniorenfreundliche Gemeinde für gute Rahmenbedingungen sorgen. Als positiv wurde auch die Zusammenarbeit mit dem Seniorenbeirat sowie einem Netzwerk von Gruppen, Organisationen und Kreisen erwähnt.

Eine Gruppe fasste die Kriterien für das Gelingen von nachbarschaftlichen Angeboten wie folgt zusammen: Es brauche einen zentralen Ort (Stadtraum), eine Koordination sowie Möglichkeiten zum niedrigschwelligen Kontakt. "Kurze Wege" war ein zusätzliches Stichwort.


Ergebnisse aus Runde 1 im Einzelnen:

Tisch 1

  • Newsletter
  • Schwarzes Brett (Suche-Biete)
  • Kaninchengehege
  • Tatkraft der Beteiligten
  • Miteinander Team Freiwillige-Haustechnik
  • Kooperation mit Stadt
  • Tag des offenen Treffs
  • Kurze, dichte / dunkle(?) Wege
  • Vielfalt der Angebote
  • Netzwerk von Gruppen, Organisationen und Kreisen
  • "Stadtraum" Veranstaltungen von und mit Freiwilligen
  • Internet und Tauschbörse?
  • Dienstleistungsnetzwerk, Öffnung ins Quartier
  • Es braucht einen zentralen Ort (Stadtraum), eine Koordination, niedrigschwelligen Kontakt
  • Wohnprojekt – strahlt in / arbeitet für das Quartier
  • Gemeinschaftsraum
  • Dienstleistungen
  • Netzwerk
  • Datenbank
  • "Regalwechsel"
  • Quartiersmanager
  • Nachbarschaftsverein: 28.000 Einwohnerinnen und Einwohner, 150 aktive Mitglieder, 850 Mitglieder, 2.800 Einsätze/Jahr
  • Hohe Bereitschaft zum/des Engagements
  • Erfolg als Nachbarschaftshilfe, als engagierte Organisation im Gemeinwesen
  • Gute Zusammenarbeit mit der Stadt Taunusstein – Schnittstellenarbeit
  • Flyer, Newsletter

Tisch 2

  • Mund-zu-Mund-Propaganda
  • Gemeindeblättchen
  • EA in ÖA zu Wort kommen lassen
  • Anerkennung
  • Niedrigschwellige, spielerische oder selbstorganisierte Angebote
  • Internet-Kurse
  • Senioren-Zumba
  • Zusammenarbeit mit Seniorenbeirat
  • Stolz auf Erfolg
  • Erfahrungen einbringen
  • Verantwortung übernehmen
  • Rahmenbedingungen (seniorenfreundliche Gemeinde)
  • Weiterbildung / Qualifizierung für ehrenamtliche Tätigkeit (mit Teilnahmebestätigung/Zertifikat)
  • Zertifikat
  • Leibliches Wohl
  • Aufwandsentschädigung? Wichtiges Thema

Tisch 3

  • Patenfamilien
  • Deutsche und MigrantInnen werden zusammen geschult
  • Generationen-Kultur-Treff Oktober - Mai
  • Erzählcafé
  • Kino 80-100 Besucher 1 mal pro Monat
  • Kinoteam fast autark
  • Mittagstisch, Kochgruppen auch komplett autark (65+ bis 91 Jahre)
  • Projektbezogenes Engagement
  • auch HA, die sich kümmern
  • Guter Draht zur Presse
  • Mobile Seniorenberatung
  • Wohnberatung
  • Arbeitsgemeinschaft
  • Kommune als Türöffner
  • Mittagstisch (Kochgruppen)
  • Leihgroßeltern
  • Bürgerverein
  • Kino

Tisch 4

  • viele Mitglieder
  • nur Freiwillige
  • 2.501 Hilfseinsätze in 2013
  • Hauptamtlichkeit im Verein
  • Schulung von Stadtteilhelfern
  • Anerkennung hilft (Geld, Punkte, Zertifikate)

Runde 2: Wir machen uns Sorgen!

Fragestellung: Was macht uns Sorgen? Wo hakt es im Miteinander zwischen den verschiedenen Beteiligten in den Projekten? Welche Schwierigkeiten kommen auf zu? Wo ist mit Konflikten zu rechnen?

Der hohe Altersdurchschnitt beziehungsweise die Überalterung der Ehrenamtlichen macht vielen Projektakteuren Sorgen. Sie stellen sich die Frage, wie es gelingen kann, neue Freiwillige zu gewinnen und die "neuen Alten" anzusprechen, oder auch: "Wie kriegen wir die Männer?"

Immer wieder sei es eine Herausforderung, Menschen richtig einzusetzen, sie vor Über- oder Unterforderung zu schützen und ihnen bei unterschiedlichen Qualifikationen angemessene Verantwortung zu ermöglichen. Als problematisch wurde berichtet, dass einzelne Freiwillige zu Klienten mit hohem Beratungsbedarf wurden.

Im Miteinander zwischen den Beteiligten hakt es nach Äußerungen der World-Café-Teilnehmenden an der Erwartungshaltung der Ehrenamtlichen an die Hauptamtlichen und am Machtgefüge zwischen beiden. Schwierig seien auch die mangelnde Kontinuität, sowohl im Haupt- als auch im Ehrenamt, sowie eine zum Teil unklare Kommunikation.

Beklagt wurden in vielen Nennungen die fehlende verlässliche Finanzierung: In Projekten, die von Förderung zu Förderung "hopsen", orientieren sich Ehrenamtliche anderweitig und fallen weg. Wenn zum Beispiel die Hauptamtliche in Elternzeit geht, wird die dünne Personaldecke mancherorts zum "Vakuum". Notiert wurde auch: "Die Koordination der Ehrenamtlichen ist nicht aufzufangen, wenn das hauptamtliche Personal nach Programmende wegfällt".

Sorgen machen sich die Teilnehmenden außerdem darüber, wie ihre Arbeit durch die Politik unterstützt wird, wie man sie nachhaltig gestalten kann, und wie angesichts der massiven Konkurrenz an gesellschaftlichen Themen die Prioritäten gesetzt werden können.


Ergebnisse aus Runde 2 im Einzelnen:

Tisch 1

  • Altersdurchschnitt der Ehrenamtlichen zu hoch
  • Fehlende Finanzen! Unterschiedliche Qualifikationen
  • EA (Ehrenamt) über Kostenfrage ausgebremst
  • "hopsend" von Förderung zu Förderung – verändert – weg
  • Übernahme von Verantwortung, Verlässlichkeit und Koordination eher Hauptamtliche
  • Wie kriegen wir die Männer?
  • Kaum männliche EA (Ehrenamtler) – themenunabhängig?

Tisch 2

  • Erwartungshaltung der Ehrenamtler an die Hauptamtler
  • Machtgefüge zwischen beiden
  • Die "neuen Alten" gewinnen
  • Überalterung der Freiwilligen
  • Freiwillige/r als Klient

Tisch 3

  • Hauptamtliches Personal fällt nach Programmende weg! Koordination der Ehrenamtlichen (im ländlichen Raum) nicht aufzufangen
  • Weite Wege
  • Menschen richtig einsetzen
  • Überforderung
  • Zu viel oder zu wenig Verantwortung
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Kontinuität

 

Tisch 4

  • Schusseligkeit
  • ?Ehrenamt = ein Schuss in die Seligkeit?
  • Finanzierung von Hauptamtlichen?
  • "dünne Personaldecke" (Elternzeit) Hauptamtliche – Vakuum
  • Unklare Kommunikation
  • Wir brauchen weitere Ehrenamtliche
  • Alter vieler Ehrenamtlicher
  • Wurzeln?
  • Sorge: Unterstützung durch Politik?
  • Nachhaltigkeit?
  • Konkurrenzen?
  • Prioritäten?

Runde 3: Wir haben Ideen für die Zukunft!

Fragestellung: Wie sieht die Zusammenarbeit in den Projekten im Jahr 2020 aus? Was haben wir 2014 dafür auf den Weg gebracht? Was haben wir (gemeinsam) angepackt? Was war ganz besonders wirkungsvoll und erfolgreich?

Die dritte Runde im World-Café brachte viele Zukunftsvisionen der Projekte auf die Tische:

"In Bingen ist eine Kultur des Miteinander-Füreinander im Quartier gewachsen! 2020: die meisten Projekte organisieren sich völlig selbst. Nachbarschaftsfamilie als kleines soziales Netzwerk, Gebäude mit Gästen als Treffpunkt 'Alte Post'. Gemeinschaftliches Wohnen – Alten-WG? Clearingstellen, Bündelung von Beratung und Hilfen, Alltagshilfen auch für junge Menschen". Einige Teilnehmer bekannten offen: "Nach der Vision für die Zukunft suchen wir gerade! Im Moment noch keine zündende Idee!" oder "2020 bin ich nicht mehr da!"

Wegweisende aktuelle Aufgaben seien zum Beispiel: eine Motivationskultur für Ehrenamtliche entwickeln, die Selbstorganisation fördern, die Anforderungen an Ehrenamtliche in zeitlich befristete Projekte aufgliedern, Nachwuchs für Projekte finden, die Nachfolge älterer Ehrenamtlicher klären, eine neue Trägerstruktur schaffen, ein Netzwerk aus Profis und Laien aufbauen.

Unter dem Stichwort Partizipation wurden genannt: die Koordination von Ehren- und Hauptamtlichen verbessern, Win-win-Situation schaffen, leiten und begleiten auf Augenhöhe, mit Ehrenamtlichen zusammen schauen, was gebraucht wird, gemeinsame Supervision von Ehren- und Hauptamtlichen anbieten.

Das Thema Aufwandsentschädigung beziehungsweise finanzielle Unterstützung für Ehrenamtliche kam - gerade beim Blick in die Zukunft mit prognostizierter Zunahme der Altersarmut - häufiger zur Sprache und wurde auch in den Pausen sehr kontrovers diskutiert.

Ideen für die Zukunft waren: neue Formen der Kooperation - Zusammenarbeit mit Unternehmen und mit Hochschulen, finanzielle Mitverantwortung mehrerer Kooperationspartner, Schnittstellen finden und in Netzwerken arbeiten.

Einige Aussagen luden zum Weiterdenken ein: "Konkurrenz um Freiwillige - was wollen die Freiwilligen?", "Regelfinanzierung statt Projektförderung", "Hilfsbedürftige können auch helfen!", "frühe Anreize für Gestaltung von Übergängen ab 55 plus", und "Kinder können Motor sein!"


Ergebnisse aus Runde 3 im Einzelnen:

Tisch 1

  • Nach der Vision für die Zukunft suchen wir gerade! Im Moment noch keine zündende Idee!
  • Motivationskultur für Ehrenamtliche entwickeln
  • Anforderungen an Ehrenamtliche in zeitlich befristete Projekte aufgliedern
  • Nachwuchs für Projekte finden
  • Kinder können Motor sein!
  • Bin ich nicht mehr da!
  • NachfolgerIn, Trägerstruktur/Netzwerk aufbauen
  • Hilfsbedürftige können auch helfen

Tisch 2

  • Finanzielle Unterstützung für Ehrenamtler / Altersarmut
  • Netzwerk aus Profis und Laien
  • Clearingstellen, Bündelung von Beratung und Hilfen
  • Alltagshilfen auch für junge Menschen
  • Nachbarschaftsfamilie als kleines soziales Netzwerk
  • Gebäude mit Gästen als Treffpunkt "Alte Post"
  • Gemeinschaftliches Wohnen – Alten-WG?
  • Konkurrenz um Freiwillige – was wollen die Freiwilligen?
  • Bessere Koordination, Win-win-Situation schaffen

Tisch 3

  • In Bingen ist eine Kultur des miteinander – Füreinander im Quartier gewachsen!
  • 2020: die meisten Projekte organisieren sich völlig selbst
  • Mehrere Kooperationspartner tragen finanzielle Mitverantwortung
  • Gemeinsame Supervision von Ehren- und Hauptamtlichen
  • Zusammenarbeit mit Unternehmen
  • Hochschulkooperation

Tisch 4

  • Leiten/begleiten auf Augenhöhe
  • Keine Kampfabstimmung – auf Augenhöhe diskutieren – Vorstand: Lenken
  • Zusammenarbeit zwischen EA (Ehrenamt) + HA (Hauptamt)
  • Partizipation
  • Geld
  • Schulungen

Handwerkszeug zum Herunterladen:

Das World-Café präsentiert…. Café to go, nicht barrierefrei (PDF, 560 KB).
Eine kurze Einführung, um Gespräche in Gang zu bringen… © 2002 Whole Systems Associates

Susanne Konzet: Impulse, nicht barrierefrei (PDF, 1,2 MB).
Förderliche Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagement älterer Menschen, in: Themenschwerpunkt "Gewinnung von neuen Ehrenamtlichen", 01/2012, Forum Seniorenarbeit NRW


„Herzensangelegenheiten“ – Impuls von Karin Nell

"Menschen geht es besser, wenn sie etwas tun, was ihre Herzensangelegenheit ist", stellt Karin Nell in ihrer Tätigkeit als Projektberaterin seit langem fest. Oft sei es mühsam, Helfer zum Mitmachen für bereits bestehende oder geplante Projekte zu gewinnen. Erfolgversprechend sei es dagegen, Menschen darin zu unterstützen, sich für ihre eigenen Anliegen einzusetzen oder eigene Ideen verwirklichen zu können.

Nell organisiert regelmäßig Seminare für Menschen im Übergang vom Beruf in den Ruhestand. Das Thema lautet "Couch oder Cabrio". Anstatt über berufliche Erfolge und geplante Ehrenämter zu reden, lädt sie die Teilnehmenden ein, zurückzuschauen auf die eigene Biografie: Was sie als Kind und Jugendliche am meisten bewegt hat, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine "Herzensangelegenheit", die ihnen auch heute noch wichtig ist. Hilfreich ist es zudem, die Vorbilder der Jugend nach ihren "Ratschlägen" für heute zu befragen. Das Aufgreifen persönlicher "Herzensangelegenheiten" biete nicht nur große Entwicklungschancen im nachberuflichen Leben, sondern wirke sich auch auf die Nachhaltigkeit von Projekten aus: "Herzenssachen sind erfolgreich!", so Karin Nell.

Anhand der Frage "Welches gesellschaftliche Thema liegt mir persönlich besonders am Herzen?" kamen anschließend in einem Probedurchlauf in der Workshop-Runde die "Herzensangelegenheiten" der Teilnehmenden zur Sprache:

  • Einsatz für Gerechtigkeit
  • auf Schwache achten und ihnen eine Stimme geben
  • kulturelle Teilhabe von Benachteiligten
  • Unterstützung benachteiligter Jugendliche
  • Beschäftigungssituation
  • Kampf gegen Einsamkeit im Alter
  • Wertschätzung älterer Menschen
  • Wissen und Erfahrungen von Älteren
  • bezahlbarer Wohnraum
  • das Leben wird ärmer und einsamer
  • Wertschätzung allen Menschen gegenüber
  • Teilhabe aller Menschen
  • Reduktion
  • Zeit, Dinge zu vertiefen
  • Entschleunigung
  • Lebenszeit gewinnen
  • Versorgung im Alter
  • Wünsche an das Wohnen
  • Engagement für die Natur
  • Erhalt der Umwelt
  • Wertschätzung gebrauchter Gegenstände

Gleichzeitig wurde deutlich, dass andere aus dem Kreis ähnliche "Herzensangelegenheiten" haben und sich schon hier Teams finden ließen, die gemeinsam an diesen Themen arbeiten könnten.

Als Beispiel für konkretes Handwerkszeug zur Gewinnung Ehrenamtlicher stellte Nell vor, wie eine "Sommerakademie" zum Thema Schokolade geplant werden könnte. Anstatt ein Programm vorzugeben und Helfer für einzelne Tätigkeiten zu suchen, sammelt eine Gruppe Ideen und übernimmt kleine Aufgaben.

Einige von vielen Ideen, die die Teilnehmenden in kurzer Zeit zusammentrugen:

  • ein virtuelles Schokoladenkochbuch
  • Filme zum Thema
  • ein Schoko-Abo
  • Gestaltung einer "Schokoladen-(Web)-seite"
  • Erzählcafé "Meine erste Schokolade"
  • Planung einer Schokoladen-Tafel
  • Schoko-Painting-Event

Eine solche sinnliche und Spaß machende Aktion könnte Menschen einen Einstieg in ein "Mini"-Engagement leicht machen. Die Variationsmöglichkeiten dieser Methode sind mit Blick auf ihre Themen und kreative Umsetzung so bunt wie unerschöpflich: Herz, Tische, Hinterhöfe,… sind nur wenige weitere Beispiele. Gemeinsam Ideen sammeln; fragen, wozu Menschen Lust haben; kleine phantasievolle Öffentlichkeitsaktionen gestalten – dies sei der beste Weg, um Menschen in ihrer eigenen Umgebung bei ihren ureigenen Anliegen anzusprechen und sie zur Beteiligung zu gewinnen, so das Konzept von Karin Nell.


Tipps zu Literatur und Kunst:

Bernard Lown: Die verlorene Kunst des Heilens. Anleitung zum Umdenken, Stuttgart 2004

Anselm Bilgri (mit Konrad Stadler): Finde das rechte Maß, Benediktinische Ordensregeln für Arbeit und Leben heute, München 2004

Claus Otto Scharmer: Theorie U – Von der Zukunft her führen. Presencing als soziale Technik, 2009

Der Palast der Projekte von Ilya und Emila Kabakov


„Pralinenschachtel“: Schatzkiste der Vielfalt

Um zu verdeutlichen, wie unterschiedlich die Bedürfnisse verschiedener Menschen sein können, gab Karin Nell eine Pralinenschachtel in die Runde, aus der sich jede und jeder bedienen durfte. So vielfältig wie Pralinen seien auch die Anliegen von Bewohnern eines Quartiers.

Gleichzeitig sei eine Pralinenschachtel auch ein Symbol für "Lebensschätze". Oft würden in Pralinenschachteln kleine Kostbarkeiten aufbewahrt. In diesem Sinne könnten sich Anlauf-, Koordinations- oder Projektstellen als Horte der Kreativität für Nachbarschaften verstehen, wo wie in einer Pralinenschachtel Projektideen, Konzepte, Kunstwerke und Visionen gesammelt und bei Bedarf hervorgeholt und umgesetzt werden.


"Keywork"-Konzept: Neuer Profi-Laien-Mix

Vorgestellt wurde zudem der Keywork-Ansatz, der für die Entwicklung eigener Projekte und neuer Verantwortungsrollen, für innovative Formen und Orte der Zusammenarbeit und des Lernens steht und sich in der Bildungs- und Quartiersarbeit im Überschneidungsbereich von Sozialem und Kultur bereits in zahlreichen Projekten bewährt hat.

"Keyworker" sind Menschen, die Türen öffnen. So beschreibt Karin Nell kurz und knapp die neue Rolle, die "Ehrenamtliche" im Kultur- und Sozialbereich künftig mehr und mehr übernehmen wollen. Für die meisten Menschen sei es interessanter, selbst etwas aufzubauen, als vorgegebene Aufgaben zu erfüllen. Für Multiplikatoren müsse infolgedessen ein neuer Leitsatz gelten: anstelle von "Wir suchen Helferinnen und Helfer" – "Wir unterstützen Menschen, die ihre eigenen Ideen verwirklichen wollen!"

Auf die kritische Nachfrage, ob dieses Konzept nicht nur Bildungsbürgerinnen und Bildungsbürger anspreche, berichtete Nell von einigen Beispielen, wo das Keywork-Konzept mit bildungsfernen Gruppen sehr erfolgreich umgesetzt werde. "Menschen beschäftigen sich mit ihrer nahen Umgebung, beschäftigen sich aktiv mit Fragen und Problemen, haben aber auch bereits Ideen, was geändert werden könnte", so Nell. Dieses Potential gelte es zu nutzen. Entscheidend sei, die Menschen nach ihren eigenen Anliegen zu fragen und Dinge mit ihnen zusammen zu entwickeln.

Nells Fazit: "Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewinnen und begleiten" erfordere zu allererst ein Umdenken, eine geänderte Haltung, einen Perspektivwechsel weg vom klassischen Ehrenamt hin zur Unterstützung von Menschen, selbst zu gestalten und mitzugestalten. Dies müssten keine großen Projekte sein: "Kleine Dinge können viel bewegen".

Kurzzusammenfassung Keywork-Ansatz zum Herunterladen, nicht barrierefrei (PDF, 1,3 MB)

Muster einer Stellenausschreibung aus dem Programm Erfahrungswissen für Initiativen NRW, Pnicht barrierefrei (DF, 518 KB)


Auswertungsrunde:
Welchen Impuls von heute nehmen Sie mit?

In der Auswertungsrunde zeigte sich, dass die vorgestellten Ansätze bei vielen Teilnehmenden auf fruchtbaren Boden gefallen sind:

  • neuen Lernort gefunden
  • aus Stroh Gold machen
  • "ich lass mich nicht unterkriegen"
  • Eine Sache ganz machen oder gar nicht
  • Thema 60er/70er Jahre aufgreifen
  • Schokolade
  • mehr Experimente wagen
  • gesammelte Ideen der Leute veröffentlichen
  • sich nicht entmutigen lassen
  • pass auf mein Herz auf
  • für die Planung eines Straßenfestes die Anwohner befragen
  • so viel Teilhabe und Teilgabe wie möglich
  • Akkupunkturnadeln: ein kleiner Stich erzeugt große Wirkung
  • Musik
  • viele kleine Dinge, die viel bewirken
  • tun, was mir Spaß macht
  • Blick in die Zukunft
  • Meine Herzenssache ist nur ein Baustein zur Veränderung der Welt – aber ein Baustein ist viel und damit auch genug!

Aus dem Feedback:
Was ist das Wichtigste, das Sie mitnehmen?

  • Es gibt schon Vieles und viele Engagierte -> Ermutigung
  • Akupunktur setzt Energie frei
  • Weitermachen
  • Die Gegenwart bewältigen, aber den Fokus auf die Zukunft richten
  • Ideen
  • Das Herz zum Thema "Herzenssache"
  • Keywork als Zukunftskonzept
  • Biographiearbeit und Umgang mit sozialen Ressourcen
  • Projekte verwirklichen – anstatt Helferinnen und Helfer zu suchen
  • Gelassenheit
  • Gute Ideen
  • Man kann viel erreichen mit kleinen Schritten
  • Neue Informationen

Der Workshop fand im Rahmen der fachlichen Begleitung des Programms Nachbarschaftshilfe und soziale Dienstleistungen durch die Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros statt.